Die ersten Tage in Warschau

Hallo werte Leserin, hallo werter Leser! Lukas schreibt hier:

DSC08125Nach 11 Stunden Busfahrt war ich dann nachts irgendwo in Warschau angekommen. Ich wusste, dass wenn ich einfach immer am Fluss entlang fahre, komm ich irgendwann bei den Radical Allotment Gardens raus, der ersten Station der Tour. Hatte mir eine Karte gemalt aber ueberall waren Baustellen. Die Bartycka-Strasse hatte ich dann doch gefunden aber die besetzten Kleingaerten haette ich ohne Hilfe nie gefunden. Aber der erste Ankoemmling der Biketour hat mich nach einem Telefonat abgeholt und ueber mehere Waldwege zum Ziel gefuehrt. In der rustikalen Kuechenhuette gab es noch Salat vom Abendessen. Kam mir sehr gelegen, ich hatte irgendwie keine Zeit gehabt mir jegliche Art von Proviant mit auf die Busfahrt zu nehmen und am Weg gabs nur Mist. Einigermassen gesaettigt hab ich mich dann im Gemeinschaftsraum endlich abgelegt.

RODhuette

meine Unterkunft für ein paar Tage…

Die volle Pracht der Gaerten hat sich dann am naechsten Tag eroeffnet. Wild wachsend ignoriert die Natur die alten Grenzen der Gartenparzellen. Nur dort, wo die Aktivisten den Platz aktiv nutzen gibt es noch begehbare Pfade, bewohnbare Haeuser und kultivierte Beete. Aber die Wildnis ist keine klassische Wildnis wie die auf einer Brache. Es sind die Pflanzen der alten Kleingaertner, die hier wuchern: Praechtige Rosen, Johannisbeeren, Oreganowiesen, Apfelbaeume, Weinreben, Blumen in allen Farben. Und mitten in dieser entfesselten Natur ist ja noch die Struktur der Selbstorganisation mit allem was dazugehoert: Die bereits erwaehnte Kueche und der Gemeinschaftsraum, eine Werkstatt und ein Umsonstladen. Natuerlich waren auch die Leute die dort wohnen alle interessante und nette Charaktere. Und endlich war es mal ein Ort, der nicht maennlich dominiert war.

DSC08073

Pizzaofen wird gebaut aus gefundenen Back- und Schamottsteinen und aus dem Lehm aus dem Loch vom Versuch nach Wasser zu graben, gemischt mit Spülwasser.

Wir konnten leider das Projekt nur wenig mit unserer Arbeitskraft unterstützen. Oder zumindest nicht soviel, wie wir gewollt hätten. Da es in den Radical Allotment Gardens kein fießend Wasser gibt und es ewig nicht geregnet hat, ging es bei allem was zu tun war um das Sammeln oder Gewinnen von Wasser: 2 Kanadier haben aus Werbeplanen, Paletten und einer Badewanne einen riesigen Regenwasserkollektor gebaut, ich habe mit Candid versucht elektrische und analoge Pumpen zu reparieren, die irgendwann mal Wasser aus einem 5 Meter tiefen Rohr hochpumpten. Leider erfolglos. Dafür habe ich im Dickicht an einem der Gartenhütten noch eine bisher ungenutzte Regenrinne entdeckt. Also eine deren Wasser nicht von einem der unzähligen Eimer aufgefangen. Mit einer Kleingartenbesetzerin gemeinsam haben wir das Dach und den Zugang vom Gestrüpp befreit. Ein lästiger Zaun aus Gummi, Draht und Glasplatten(!) musste auch weichen. Irgendwo am Gelände gibt es auch ein riesiges Loch. Leute haben versucht nach Wasser zu graben… Der zunächst einfachste Weg war, zur Wisła/Weichsel zu gehen und dort die Kanister aufzufüllen. Trinkbar ist das Wasser aber nicht… Dann gibt es noch eine Grundwasser-Pumpe 20-30 Minuten Fußmarsch entfernt, die die noch bestehenden Kleingärten dort mit Wasser versorgt.

Es gab dann ein ausgeklügeltes System mit verschiedensten Wasserarten und deren (Wieder)verwertung: Das Wasser von dieser Pumpe war das beste, das Trinkwasser, dann kam das gesammelte Regenwasser, das auch noch zum Kochen in Ordnung war und dann das Flusswasser zum Spülen und Pflanzen gießen. Auch das Spülwasser hatte wieder zwei Klassen, eines, das zum Vorspülen verwedet wird, kann ebenfalls noch zum gießen verwendet werden, dass andere mit Spülmittel kontaminierte, geht, wenn es nicht beim Bau des Pizzaofens (siehe Zeichnung oben) verwendet wird, durch die selbstgebaute Bio-Kläranlage. Eine Konstruktion aus mehreren aneinander hängenden Teichen. Im ersten sehen die Schilfpflanzen recht traurig aus und das Wasser ist schaumig, im letzten ist alles Grün. Auch EM-Bakterien kommen dort zum Einsatz, aber ich hab keine Ahnung was genau die da machen.

DSC08074

Die Küchenhütte, rechts oben im Baum ist ein Wasserkanister, der zu Zeiten funktionierender Pumpen für Wasserdruck gesorgt hat…

An einem Abend am Lagerfeuer haben uns die Aktivisten von den Vorfällen des Anti-Terrorist-Acts erzählt. Soweit wie ich das verstanden habe, kamen eines Tages plötzlich Polizisten und haben 2 von den Leuten verhaftet und mitgenommen. Sie seien angeblich Terroristen. Angeblich wurde versucht, bei einer Demo, einige Tage vorher, ein Polizeiauto anzuzünden. Isoltionshaft bis zum Prozess, wann der ist weis keiner. Der Vorfall wurde in den Medien gepushed und extrem viel Panik verbreitet. Ein Gesetzesentwurf wurde im Eilverfahren durchgewunken, dieser Anti-Terrorist-Act. Wenn das Gesetz durch ist, droht den Aktivisten bis zu 8 Jahre Gefängnis. Es hätte jede_n der RODs treffen können, die Verhaftungen waren völlig beliebig. Grußelig! Hier steht mehr dazu.

Wie schon gesagt, konnten wir leider nicht so viel in den Gärten werklen, was an mehreren Ursachen lag: Erstens musste sich die Gruppe erstmal finden, dann mussten wir uns um die ganze Start-Logistik kümmern, wie den Rocketstove, den 3. noch unfertigen Anhänger zusammenbauen, Werkzeug besorgen und die ganzen Fehlerchen an unseren Rädern beheben. Hierfür waren wir viel in einem anderen Squat in Zentrum, Syrena, die haben eine Fahrradwerkstatt, und ein supernettes Café.

Und wir mussten uns auch um das Visum für Belarus kümmern. Was sich mit der Zeit als immer schwieriger und nahezu unmöglich herrausgestellt hat. Erst mussten wir die Grundvorraussetzungen erfüllen – einen gültigen Pass, eine Auslandskrankenversicherung und ein nicht älter als 3 Monate altes Passfoto, dann mussten wir die russischen Formulare verstehen und ausfüllen und dann brauchten wir noch eine Einladung aus Belarus um ein Visum zu bekommen. Diese Einladung hätte erst von ein paar Linken aus Minsk kommen sollen, die haben uns dann abgesagt. Dann hat uns ein gewisser Valentin, Vorstand vom RaDea Fahrradclub aus Brest eine Einladung geschickt. Mit all dem Kram sind wir zur Botschaft, dort haben wir einige Stunden vor dem Gebäude in der Sonne gebrütet bis wir nach der Mittagspause drankamen. Sprache war nur russisch oder polnisch, Michal konnte mit Slowakisch als Muttersprache als einziger einigermaßen kommunizieren. Recht schnell war klar, dass wir so das Visum nicht bekommen würden, die brauchten einen Plan, wo wir an welchem Tag sind.DSC08126Ok soweit so gut, machen wir diesen Plan. Wieder dort hin, diesmal nur 2 Deligierte unserer Gruppe, dann hieß es plötzlich wir können mit der Einladung nur ein 10-tägiges Visum beantragen. Also den Plan von 21 Tagen auf 10 runtergekürzt, Formulare neu ausgefüllt und wieder unseren letzten verbleibenden Deligierten zur Botschaft geschickt. Der Rest der Gruppe ist schon losgefahren, die Ecotopia Biketour hat angefangen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert